Mi 15.06.22 | 18:36 Ωρ | von Fred Pilarsky
Patrick Pleul / dpa
Audio: Antenne Brandenburg | 14.06.2022 | Fred Pilarsky Bild: Patrick Pleul / dpa Trotz heftiger Kritik aus Brandenburg hat Polen im März mit dem Ausbau der Oder begonnen. Umweltschützer und das Land Brandenburg haben geklagt – und können nun vor einem Warschauer Gericht einen Erfolg verbuchen. Die Bauarbeiten am Oderausbau müssen vorerst eingestellt werden. In einer ähnlichen Klage von Naturschutzverbänden und dem Land Brandenburg hat das Woiwodschaftsgericht Warschau am Dienstagnachmittag Eilentscheidung erlassen.
Die Fakten wurden bereits in den letzten Wochen geschaffen
Die Gerichtsentscheidung hebt eine Entscheidung der polnischen Generaldirektion für Umweltschutz auf. Bauarbeiten zur Vertiefung der Oder waren von dieser Behörde genehmigt, Einsprüche dagegen noch nicht abgeschlossen. Allerdings hat sich in den vergangenen Wochen bereits etwas getan, zahlreiche Buhnen wurden kürzlich am Ufer gebaut oder saniert – unter anderem in Frankfurt (Oder), bei Reitwein und nördlich von Küstrin. Umweltschützer befürchten, dass die Überschwemmungsgebiete austrocknen und Lebensräume für seltene Fischarten zerstören, darunter Baltische Störe und Goldfische.
Umweltverbände sehen mit der Entscheidung im Dringlichkeitsverfahren deutliche Erfolge
Der Deutsche Naturschutzring, der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Bund für Umwelt und Naturschutz begrüßten die Gerichtsentscheidung in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Das Urteil gegen die polnische Regierung ist eine wichtige Botschaft“, sagte Florian Schöne, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings (DNR). „Mit der Weiterentwicklung der Oder entlang der deutsch-polnischen Grenze ist erstmals eine polnische Umweltbehörde gezwungen, die grenzüberschreitenden Auswirkungen des Projekts auf geschützte Arten und Lebensräume zu berücksichtigen und ihrer Verantwortung für eine Artenvielfalt gerecht zu werden Krise.” Auch Schöne sagte: „Die frei fließende Oder mit ihren wichtigen Leistungen für verschiedene Ökosysteme und für den Schutz des natürlichen Klimas bleibt vorerst sicher.“ * Warschaus Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es kann sogar innerhalb von 30 Tagen mit Berufung angefochten werden.
Vorausgegangen waren jahrelange Kontroversen
Die Grenzregion streitet seit Jahren um den Oder-Ausbau. Grundlage ist eine deutsch-polnische Regierungsvereinbarung aus dem Jahr 2015. Darin ist festgelegt, dass an der Grenze bzw. für den größten Teil des Jahres eine Vortriebstiefe von 1,80 Meter gewährleistet werden soll. Grund dafür ist der Hochwasserschutz: Im Falle einer Eisflut im Winter muss die deutsch-polnische Eisbrecherflotte über eine ausreichende Reisetiefe verfügen, um mögliche Eisdämme, hinter denen sich Wasser staut, erreichen zu können. Umweltschützer glauben, dass damit argumentiert wird, die Oder für die Binnenschifffahrt aufzurüsten. Mit der Verlängerung und dem Neubau der Buhnen – Steinhaufen, die fast senkrecht zum Ufer in den Fluss ragen – wird der Oder-Hauptstrom halbiert, vertieft und beschleunigt. Gleichzeitig befürchten Wissenschaftler und Physiologen, dass sich der Fluss auf diese Weise tiefer in sein Bett gräbt. Dies würde den Wasserspiegel senken und die Überschwemmungsgebiete gefährden. Besonders betroffen ist der Nationalpark Unteres Odertal. Neben Lebensräumen von Wasservögeln seien auch Hunderte Hektar von Hubschraubern betroffen, die bei Austrocknung mehr Treibhausgase ausstoßen würden, sagte Nationalpark-Direktor Dirk Treichel im rbb-Podcast „Feld, Wald und Krise“.
Weitere Pläne in Tschechien
Die Vereinbarung von 2015 sieht vor, dass der Ausbau auf beiden Seiten der Oder erfolgen muss – sonst wären die Auswirkungen der Buhnen nur begrenzt. Die entsprechenden Planungen der Bundeswasserstraßenverwaltung befinden sich noch in einem frühen Planungsstadium. In Polen und Tschechien gibt es derweil längst Pläne, die Oder in ihrer gesamten Länge durch Sperren zu kanalisieren und über einen neuen Donau-Oder-Elbe-Kanal mit dem Schwarzen Meer zu verbinden. Ausstrahlung: Antenne Brandenburg, 14. Juni 2022, 16:30 Uhr
- Hinzugefügt ab 15.6.: Anders als am Dienstag rechneten Naturschutzverbände am Mittwoch nicht mehr damit, dass die Bagger mit dem Gerichtsurteil sofort aufhören würden. Die komplizierte Rechtslage biete offenbar Spielraum für Verzögerungen beim Baustopp, sagte BUND-Wassermanager Sascha Maier dem rbb. Formal untersagte das Gericht die sofortige Fertigstellung der Bauarbeiten nicht, hob aber die Zurückweisung der Einwendungen der klagenden Gewerkschaften auf. Das bedeutet, dass der klagende Umweltschutzdienst zunächst neu entscheiden muss, die Bagger zu stoppen. Gepostet von Fred Pilarski