14.06.2022, 20:28 Uhr
Ein geänderter Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht vor, dass nur die Heilungschancen eines Patienten unter Screening-Bedingungen über die Behandlung entscheiden. Schwäche, Behinderung oder gar sexuelle Orientierung sollen keine Rolle spielen. Stehen während einer Pandemie nicht genügend intensivmedizinische Möglichkeiten zur Verfügung, sollten allein die Heilungschancen für die Vergabe von Behandlungsplätzen ausschlaggebend sein. Der aktuelle Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zum sogenannten Screening besagt, dass bei einem solchen Auswahlverfahren niemand „wegen Behinderung, Schwäche, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Geschlecht oder sexueller Orientierung“ benachteiligt werden soll. Mit diesem Gesetzentwurf folge die Bundesregierung „dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts“, sagte Lauterbach der Funke Mediengruppe. „Auch in einer Pandemie, wenn die Möglichkeiten begrenzt sind, müssen Behandlungsentscheidungen allein nach den Heilungschancen getroffen werden.“ Mediziner verstehen Screening als System zur Kategorisierung von Patienten, bei dem die verzweifeltsten Fälle nicht mehr behandelt werden. Das System wird eingesetzt, wenn die Behandlungsoptionen begrenzt sind und Ärzte entscheiden müssen, wen sie behandeln.
Zwei Intensivmediziner müssen entscheiden
Der von Lauterbach vorgelegte Entwurf sieht vor, dass eine einmal begonnene Behandlung nicht wegen eines neuen Patienten abgebrochen werden darf. Damit lehnt Lauterbach die sogenannte Ex-Post-Sortierung ab, die angeblich ursprünglich in seinem ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehen war. Das würde bedeuten, dass eine Intensivstation zugunsten eines anderen Patienten mit besseren Überlebenschancen aufgegeben werden könnte, wenn drei Ärzte zustimmten. Eine Zuteilungsentscheidung könne „nur auf Basis der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten getroffen werden“, heißt es im aktuellen Entwurf weiter. Welcher Patient den Zuschlag erhält, solle im Zweifelsfall „einvernehmlich von zwei Fachärzten vereinbart werden, die seit mehreren Jahren intensivmedizinisch tätig sind und über eine intensivmedizinische Zusatzausbildung verfügen“. Sie müssen den Patienten unabhängig beurteilt haben. Komme es zu keiner Einigung, “sollte ein anderer, gleich ausgebildeter Arzt hinzugezogen und dann eine Mehrheitsentscheidung getroffen werden.” Im Dezember vergangenen Jahres hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung zu sofortigen Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen bei einem pandemiebedingten Screening aufgefordert. Andernfalls müssten wir befürchten, dass sie bei der Vergabe von intensivmedizinischen Ressourcen benachteiligt würden, erklärten die Richter. Mehrere Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen hatten sich beschwert.